Betreuungsgeld – Ohne Sinn und Verstand

Seit Wochen schon streitet sich die Koalition über das sogenannte Betreuungsgeld, liebevoll auch Herdprämie genannt. Eltern, die Ihre Kinder in den ersten drei Jahren daheim erziehen wollen bzw. können, sollen, wenn es nach dem Willen der CSU geht, zunächst monatlich 100€ Betreuungsgeld erhalten. Auch 150€ waren schon im Gespräch. Schätzungen zufolge kostet so eine Aktion den Staat und damit auch den Steuerzahler etwa 1 Milliarde Euro im Jahr. Das sind tausend Millionen. Aktuell werden von Bundesseite wohl knapp 700 Millionen Euro jährlich in den Ausbau von Krippenplätzen investiert. Soviel zu den nackten Zahlen.

Die Herdprämie soll ein Ausgleich dafür sein, wenn Eltern eine andere staatliche Leistung, also den subventionierten Krippenplatz nicht in Anspruch nehmen. Das ist neu in der Geschichte dieses Landes. Denn es ist etwa so, als wenn Immobilienbesitzer vom Staat Geld dafür bekommen, dass Sie keine Handwerker beschäftigen, sondern lieber alles selber machen. Denn der Lohn für einen Handwerker wird über Steuereinsparungen subventioniert. Faszinierend. Aber das nur am Rande.

Die andere und eigentliche Frage ist, wem bringt dieses Betreuungsgeld eigentlich was? Wer profitiert wirklich von 100€-150€ mehr im Monat. Betrachten wir drei unterschiedliche Scenarien:

  1. Alleinerziehende/r Mutter oder Vater, derzeit mit Hartz IV
  2. Familie mit mittlerem Einkommen, beide Eltern haben vor der Geburt des Kindes gearbeitet
  3. Wohlhabende Familie, ein Ernährer, die Frau betreut Haushalt und Kinder

Alleinerziehende/r Mutter oder Vater, derzeit mit Hartz IV
Wie zu erwarten, und wie jetzt auch in der Presse bekannt geworden, werden arbeitssuchende Eltern nichts von dem Betreuungsgeld haben. Denn es wird mit den staatlichen Leistungen verrechnet und dann bleibt nichts mehr über. Selbst wenn das nicht so wäre, und die 100€ ausgezahlt würden: 100€ machen das Leben sicherlich ein wenig leichter, aber so richtig zukunftsorientiert wirkt das nicht.

Fazit: Für Arbeitssuchende, Arbeitslose und/oder Alleinerziehende bringt der Bonus von 100€ meines Erachtens nichts.

 Familie mit mittlerem Einkommen, beide Eltern haben vor der Geburt des Kindes gearbeitet
Es ist leider Fakt, dass in einer Zeit des Jobwunders, welches hauptsächlich durch unterbezahlte und 400€-Jobs zustandekommt, die Illusion eines Alleinernährers ferner ist als je zuvor. In vielen Familien müssen beide Elternteile arbeiten um sich und Ihrer Familie einen angenehmen Lebensstandard zu finanzieren.

Da ist die Kürzung des Einkommens eines Elternteils während der Elternzeit auf 67% schon eine schwere Last. Wenn nun der eine Elternteil dauerhaft zu Hause bleibt um seine Kinder großzuziehen, so entfällt ein komplettes Gehalt. Dieses ist meistens doch höher als 100€ im Monat. Diese sind also nichts weiter als ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Fazit: Das Betreuungsgeld kann die Einkommensverluste nicht ausgleichen und ist damit ein netter, aber nicht zielführender Bonus.

 

Wäre es also nicht wesentlich besser, wenn die Eltern bessere Chancen hätten wieder in Ihren Beruf einzusteigen, 1-2 Jahre nach der Geburt des Kindes? Sie könnten wieder unabhängig von eventuellen staatlichen Transferleistungen sein, Ihre Sozialbeiträge selber bezahlen, für die Rente sparen und vieles mehr. Hierzu brauchen wir eine ausreichende Anzahl an Betreuungsangeboten wie Kinderkrippen und Tagesmütter. Es wäre außerdem notwendig, dass Kinderkrippen und Kindertagsstätten realistische und bezahlbare Öffnungszeiten vorhalten. Denn wenn die Kinder nur von 08.00-12.00 betreut werden ist die Aufnahme einer bezahlten Tätigkeit so gut wie unmöglich. Denn mit “bringen” und “abholen” des Kindes bleiben kaum noch 2-3 Stunden zum eigentlichen arbeiten.

Und wenn eine stundenweise Erweiterung der Öffnungszeiten dazu führt, dass die Kosten für die Betreuung exponential ansteigen, dann ist der Anreiz wieder arbeiten zu gehen nicht mehr vorhanden, da alles erarbeitete sofort wieder ausgegeben wird.

Wohlhabende Familie, ein Ernährer, die Frau betreut Haushalt und Kinder
Wer ausreichend Einkommen hat, um mit nur einem Einkommen seine Familie zu ernähren, der ist vermutlich auch nicht auf 100€ mehr angewiesen. Mehr muss hierzu nicht mehr gesagt werden, oder?

 Gesamt-Fazit: Aus kaum nachvollziehbaren Gründen pochen viele in der Koalition jetzt auf den Koalitionsvertrag. Insbesondere die CSU, die meint, mit Ihrem sogenannten Konservativem Weltbild noch Wähler in Bayern erreichen zu können. Obwohl die Mehrheit der Abgeordneten erkannt hat, dass das Betreuungsgeld keinen Sinn macht, soll Handlungsfähigkeit und Einheit demonstriert werden. Und so beschließt man vielleicht lieber absoluten Unsinn, anstatt wenigstens ab und zu auf den gesunden Menschenverstand zu hören.

Ich habe lieber eine Regierung, die sich streitet und dafür sinnlose Vorhaben fallen lässt, als ein die nur um des lieben Frieden willens dummes Zeug beschließt.

Bitte liebe CDUler und FDPler in der Regierung – schmeisst unser Geld nicht für den Wahlkampf des Herrn Seehofer aus dem Fenster, sondern investiert es lieber in einen zügigen Krippenausbau – der uns allen weiterhilft – und nicht nur wenigen. Danke.

admin

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4 Gedanken zu “Betreuungsgeld – Ohne Sinn und Verstand

  1. Die bescheidene Anerkennung der Leistung für Erziehung und basale kognitive Entwicklung durch das Betreuungsgeld ist sehr zu begrüßen und die tendenz zu seiner Abschaffung zeugt von einer Unkenntnis wissenschaftlicher Erkenntnisse bezüglich frühkindlicher Basalerziehung.
    So toll sind Krippen für 0 – 3jährige Kleinstkinder nicht, für die seltsamerweise linke und gewerkschaftsnahe Parteien als auch Wirtschaftslobbyisten (Arbeitgeberpräsident HUNDT; Präsident von Gesamtmetall DULGER) wie wild trommeln: „Befreit die Mütter von ihren Kindern und fesselt sie an die Maschinen“
    Nicht nur die Familie, sondern vorallem die Schwächsten, die Kinder, werden möglicherweise ernste Probleme bekommen und damit die Zukunft unseres Volkes.
    Ausgerechnet diejenige Partei, die sich für die Schwachen einsetzen will, argumentiert reflexhaft gegen das Betreuungsgeld und trifft damit die Schwächsten der Gesellschaft.
    Die Krippe scheint eine Einrichtung zum Wohlergehen von Erwachsenen zu sein, denn ein bezüglich der sehr frühen Krippenaufbewahrung nicht ausreichend beachtetes Problem (neben zu erwartender erhöhter Stresshormonausschüttung infolge „learned helpnessless“ und Wachstumshormonmangel infolge reduziertem Langsamen-Wellen-Schlaf in der Krippe) ist die mögliche Störung bzw. Verzögerung der frühkindlichen Sprachentwicklung zu befürchten. Ein wichtiger Unterschied zwischen Tier und Mensch ist die Sprache auch als Basis des Denkens. Mangelnde primäre (besonders 0 – 1,5 Jahre) frühkindliche Sprachentwicklung hat oft die Folge von Lese- und Rechtschreibstörungen und letztlich ungünstiger kognitiver Entwicklung.
    Dadurch ist zu befürchten, dass der wichtigste Schatz, den Deutschland besitzt, nur ungenügend sprachlich und kognitiv entwickelt vorliegen wird. (Siehe Ärztereport der Barmer Ersatzkasse vom Januar 2012 mit bereits jetzt schon ca. 40% sprachgestörten Kindern im Alter von 5 – 6 Jahren (Gründe: Zunahme Tagesmütter: 2006 ca. 14%, bereits 2010: 23%;; enorme Lärmpegel in Kitas); logopädische Behandlungskosten etwa 1 Milliarde Euro).
    Warum heißt es Muttersprache und nicht Vatersprache?
    Bereits ab der 20. Gestationswoche hört der Foet im Mutterleib flüssigkeitsangekoppelt die Mutterstimme und ist nach der Geburt massiv darauf fixiert, sodass eine längere (max. bis zu 3 Jahren) dyadenspezifische Beziehung zwischen diesen beiden Personen notwendig ist, zumal in diesem Zeitraum zumindest zwei kürzere Phasen besonders begierigem Sprechlernen des Kleinkindes individuell verschieden auftreten (siehe Buch: „Vergewaltigung der menschlichen Identität. Über die Irrtümer der Gender-Ideologie, 3. Auflage, Logos-Verlag, Ansbach, 2013)

  2. Ich finde das Betreuungsgeld sinnvoll.
    Ausserdem ist Ihnen leider ein kleiner Fehler unterlaufen:
    „Wäre es also nicht wesentlich besser, wenn die Eltern bessere Chancen hätten wieder in Ihren Beruf einzusteigen, 1-2 Jahre nach der Geburt des Kindes?[…] Hierzu brauchen wir eine ausreichende Anzahl an Betreuungsangeboten wie Kinderkrippen und Tagesmütter.“
    Wenn die Mütter und Väter bis zu 2 Jahre zu Hause bleiben, dann braucht man wenige Kinderkrippen, denn die sind nur für Babys von ein paar Monaten bis zu 3 Jahren. Daran schliesst sich der Kindergarten an. Wenn die Eltern schon ein bis 2 Jahren zu Hause bleiben, sollten sie auch noch das 3te Jahr zu Hause nutzen um dann mit dem Kindergarten und einer Tagesmutter wieder in den Beruf einsteigen, wenn man es wirklich für nötig erachtet.

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